Keine Kategorien vergeben

Begründung der Ablehnung

So nachvollziehbar es ist, zwischen zaristischer und sozialistischer Wirtschaftsgeschichte des heutigen Russlands zu differenzieren, scheint es mir an dieser Stelle doch die Logik der Systematik zu sprengen. Keinem anderen Land wird in diesem Bereich der RVK eine chronologische Binnengliederung zuteil. Zudem halte ich es für problematisch, 1945 eine Zäsur zu setzen, da in der UdSSR eher die Personen der Staatsführung (Stalinistische Epoche, Post-Stalinismus) zur Periodisierung herangezogen werden. Der wirtschaftsgeschichtliche Umbruch von der sozialistischen zur postsozialistischen Wirtschaftsordnung (zur Erinnerung: Oligarchen im heutigen Sinne gab es in der UdSSR noch nicht!) bleibt dagegen völlig unberücksichtigt. Daher lehnen wir die Änderung in dieser Form ab.

Andreas Göller, ULB Darmstadt


12:28, 1. Dez. 2020

Besten Dank für die konstruktive Rückmeldung! Ein paar Worte der Erwiderung zu den beiden konkret angesprochenen Punkten:

Das Argument, dass es bisher in diesem Bereich der RVK keine chronologische Binnengliederung gebe, würde doch jedweder solchen Ausdifferenzierung einen generellen Riegel vorschieben. Auch im Bereich NT (Rechts-, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte) gab es (abgesehen vom deutschen Sprachraum) bis zum Jahr 2007 keine chronologische Binnengliederung, als damals "NT 7000 - NT 7080 Ostslawen (Großrussen, Weißrussen, Ukrainer)" eingeführt wurde (Vorschlag seitens der UB der HU Berlin). Bestand und Bedarf wären jedenfalls definitiv auch im Bereich der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Russlands gegeben (mehrere hundert Bände im Rahmen eines Umsystematisierungsprojekts).

Hinsichtlich der Kritik an der Art der Periodisierung können konkrete Gegenvorschläge (z.B. mit 1953 als Zäsur) sicher diskutiert werden.

Michael Ammon, UB Erlangen-Nürnberg

14:27, 2. Dez. 2020

Der Umstand, dass im Notationsbereich NW 2250 bis NW 2760 bisher keine Binnendifferenzierung bei der allgemeinen Wirtschafts- und Sozialgeschichte einzelner Staaten bzw. „Völker“ existiert, spricht meines Erachtens nicht gegen ein solches Vorhaben. Angesichts der vorhandenen Notationsvorräte, die besonders nach „NW 2250 Deutschland“ (24 mögliche Systemstellen) und „NW 2275 Österreich und Österreich-Ungarn“ (29 mögliche Systemstellen) größere Reserven aufweisen, scheint man eine spätere Ausdifferenzierung bei der ursprünglichen Konzeption dieses Notationsbereichs durchaus im Blick gehabt zu haben. Wenn auch die Anzahl freier Notationen im Bereich NW 2305 – NW 2455 viel geringer ausfällt, so kann man NW 2425 – NW 2429 doch ohne größere Not mit untergeordneten Russland- bzw. Sowjetunionsstellen besetzen. Von der (alphabetischen) Struktur der Systematik in diesem Bereich her gedacht, bekäme man – soweit ich sehe – nur dann ein Problem, wenn ein neuer „außerdeutscher“ Staat oder ein ebensolches „Volk“ seinen Platz in der Geschichte einfordert, der bzw. das alphabetisch ausgerechnet zwischen „Russland“ und „Schweden“ einzuordnen wäre. San Marino freilich ist ein solcher Fall, jedoch bietet die ebenfalls vorgeschlagene Umbenennung der Systemstelle NW 2365 in „Italien und San Marino“ einen charmanten Ausweg.

Der Hinweis, dass 1945 zwar aus deutscher Perspektive einen tiefen Einschnitt bedeutet, während die Sowjetunion eher durch die Kontinuität stalinistischer Herrschaft bestimmt war, ist sicherlich nicht unberechtigt. Andererseits setzt bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Kalte Krieg ein, der die sowjetische Wirtschaftsgeschichte bis 1989 wesentlich prägt. Insofern wäre eine Zäsur um 1945/1947 in meinen Augen durchaus vertretbar.

Legitim ist schließlich auch die Kritik, dass sich in der vorgeschlagenen Differenzierung die Abkehr von der sozialistischen Wirtschaftsordnung – und damit der tiefgreifendste Wandel in der jüngeren russischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte – nicht manifestiert. Wenn man jedoch nach Titeln sucht, die ausschließlich die russische Wirtschafts- und Sozialgeschichte seit 1989 behandeln, so scheint mir deren Anzahl (gegenwärtig noch) recht überschaubar. Ob sich für den Zeitraum ab 1989/1990 also die Einführung einer eigenen Systemstelle für die russische Wirtschafts- und Sozialgeschichte wirklich lohnt, müsste weiter diskutiert werden.

Falls man sich für diesen Weg entscheiden möchte, könnte man – auf der Basis von Herrn Göllers Anregungen – anstatt der beiden bisherigen Vorschläge für NW 2428 und NW 2429 folgende Systemstellen erwägen: „NW 2428 Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) und Sowjetunion (1918-1991)“ und „NW 2429 Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“. Alternativ wäre auch „NW 2429 Russische Föderation“ denkbar, wenn man angesichts der aktuellen politischen Situation künftig vielleicht beabsichtigt, auch der Ukraine und Belarus eigene Systemstellen in der allgemeinen Wirtschafts- und Sozialgeschichte zuzuweisen.

Martin Völkl, UB Augsburg

17:38, 7. Jan. 2021

Wenn eine Differenzierung vorgenommen wird, sollte sie die Zäsur durch das Ende der sozialistischen Wirtschaftsordnung und das Ende der Sowjetunion berücksichtigen. Mag die Anzahl der Titel zum Thema „(gegenwärtig noch) recht überschaubar“ sein, wie Herr Völkl es beschreibt, so wird diese Zahl wachsen. Gerade in dem Bereich „Wirtschafts- und Sozialgeschichte“ wird bei der Behandlung unterschiedlicher Wirtschaftsordnungen Bedarf für eine Differenzierung entstehen, die bei den vorgeschlagenen Änderungen auch gleich erledigt werden sollte. Falls unterschiedliche Entwicklungen in verschiedenen Ländern künftig Bedarf nach weiterer Differenzierung entstehen lassen, ist diese einfacher vorzunehmen, wenn es bereits Systemstellen für die Zeit ab 1989/1990 gibt.

Wir plädieren insoweit für eine Überarbeitung des Vorschlags.

Als eine Bibliothek, die geschichtswissenschaftliche Literatur nur in anderen Bereichen von N in größerem Umfang aufstellt, möchte die UB der Freien Universität Berlin die Diskussion der konkreten Vorschläge von Herrn Völkl für die Zeit ab 1989/1990 (NW 2428 und NW 2429) und um die Zäsur bei 1945 oder 1953 den Kolleg*innen aus anderen Bibliotheken überlassen.

Martin Schramm, Freie Universität Berlin

Rvk012

18:46, 1. Feb. 2021
 
 

Zur Zäsurenfrage finde ich die genannten Aspekte berechtigt und möchte noch ergänzend darauf hinweisen, dass an zwei anderen Stelle der RVK Zäsuren zur russischen Geschichte abweichend zu den sonst üblichen, durch die "westliche" Perspektive geprägten Zäsuren gesetzt wurden:
a) NP 5995 - NP 6009: 1917 (anstatt 1918)
b) Registereintrag zu NQ 5055: 1953 (anstatt 1945)
Insofern möchte ich dafür plädieren, diese durch die Besonderheiten der russischen Geschichte begründete besondere Periodisierung in der RVK durchgängig anzuwenden und dies auch im Falle einer Annahme der vorgeschlagenen Erweiterung bei NW 2425 ff. entsprechend zu berücksichtigen.

Klaus Zäpke, UB der HU Berlin

Liebe Kollegen, recht vielen Dank für die umfangreichen und engagierten Stellungnahmen. Da kein eindeutiges Votum zu erkennen ist, wird der Vorschlag in die FG Geschichte zurückgegeben mit der Bitte, den Vorschlag zu überarbeiten. Ines Häusler, RVK-Fachkoordination (4.2.2021)

12:53, 4. Feb. 2021

Stand 21.6.2021:

Die Fachgruppe Geschichte hat in Zusammenarbeit mit dem Antragsteller einen Vorschlag erarbeitet:

NW 2425 - NW 2429 Russland, Sowjetunion und Nachfolgestaaten

NW 2425 Allgemeines, Einzelbeiträge

NW 2426 Russland bis 1815

NW 2427 Russland 1815 - 1917

NW 2428 Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) und Sowjetunion (1917 - 1991)

NW 2429 Russische Föderation seit 1991 und Nachfolgestaaten der Sowjetunion

NW 2427 San Marino (Streichung bzw. Umbenennung)

NW 2365 Italien und San Marino (Umbenennung)


Gegen diesen Vorschlag gingen keine weiteren Einwände ein. Der Vorschlag wird mit dem Update 3/2021 eingearbeitet.


Ines Häusler, RVK-Fachkoordination

10:56, 21. Jun. 2021